Den zweiten Tag begannen wir früher als die meissten Gäste des Campingplatzes. 
 Trotzdem lagen wir, wie auch schon am ersten Tag, unserem Zeitplan hinterher.  
 Die Sonne schien und es herrschten angenehme Temperaturen. Während des ganzen 
 Sommerurlaubes hatten wir Glück mit dem Wetter. Es war fast eher zu heiß. 
 
 Die ersten 15km waren flach und so ideal zum Einrollen. Die folgenden Kilometer 
 waren eine Steigerung des gestrigen Vorgeschmackes auf die Alpen. Der Anstieg 
 auf die Bielerhöhe ist ca 16km lang und weist eine Höhendifferenz von knapp 
 1000m auf. 
  Die auf der Karte verzeichneten Steigungsmaxima betragen 14%. Der 
 gemeinsame Tenor bestand darin, dass jeder diese Steigung nach seinem 
 momentanen Schmerzempfinden und -bedürfnis zu bewältigen habe. Schließlich war 
 dies erst die zweite Etappe und auch erst die zweite ernst zu nehmende 
 Steigung. Gesagt getan ein jeder nach seinem Gusto, noch heute sollten wir 
 Italien erreichen. 
Schon nach den ersten Metern wurde das kleine Feld auseinandergerissen. Unser 
Kapitän, El capitano, der sich oft und gerne in den Mappeifarben zeigt, gab Gas 
und ward erst oben auf der Bieler Höhe und dem Silvrettastausee wieder gesehen.  
Allerhand.
 
 Die drei anderen Mitstreiter quälten sich ohne größeren Abstand 
zueinander die Höhenmeter hinauf. Wie auch schon am ersten Tag gelangen unseren 
beiden Begleitern wunderbare Schnappschüsse und eine gelungene Studie mit 
Videocamera. 
 Es lebe die Fahrradidiotie!
  
  Einen riesig großes Dankeschön an 
unsere Begleiter. Neben der ganzen Autofahrerei, zu langsame Objekte, welche die 
Pässe runter schleichen, ungewohnte Verkehrsführung oder Stau, wurden die 
Cyclisti immer wieder aus dem Auto versorgt. Bei Bedarf wurde die gewechselte 
Trinkflasche am Berg sogar hinterher getragen.  Von der Bielerhöhe bot sich uns 
ein eindrucksvoller Blick auf den Silvrettastausee. Trotz Sonnenschein konnten 
wir uns nicht lange verweilen. Es galt nicht zu sehr auszukühlen. Immerhin 
befanden wir uns jetzt schon auf einer Höhe von 2036m über dem Meeresspiegel. 
Nach der Abfahrt die leider weniger spektakulär als die gestrige war, machten 
wir Rast, um uns zu stärken.  Wir saßen erhöht über der Straße in der Sonne. Ich 
beneidete die Begleiter um ihr kühles Bier, besser gesagt wir alle beneideten 
die beiden. Aber wir hatten ja noch einige Kilometer vor uns. Die warme Mahlzeit 
war an sich schon purer Luxus und eigentlich radsporttechnisch totaler humbuck. 
Das sollten dann auch drei von den vieren zu spüren bekommen.  Recht so, dass 
dies kein Badeurlaub werden würde wussten wir, wollten uns aber den Schein des 
"Urlaubes" bewahren- hihihihi.  Es war der Banestomann, der mal wieder unter 
Beweis stellte, dass für ihn selbst unter diesen Bedingungen eine große Portion 
Geschnetzeltes kein Verdauungsproblem darstellt.  Sogar die Tatsache, dass er als 
letzter seine Mahlzeit erhalten hatte, hinderte ihn nicht daran gleich nach der 
Pause voll weiter zu fahren. Das weckte Erinnerungen an die letzte 
Vorbereitungsfahrt in den Rheingau. Es kann ja auch Regen geben. Dies aber ist 
eine andere Geschichte.  Bei wunderbarem Wetter mit Sonnenschein fuhren wir 
weiter. Wir passierten Galtür, Ischgl, Landeck, Prutz und Tösens. Nach Pfunds 
ließen wir auch Nauders hinter uns zurück und passierten über den Reschenpaß die 
ösi-italo Grenze. Ungefähr 15km vor dem Etappenziel setzte der Banestoman noch 
eins drauf.  Er war nicht mehr zu halten und fuhr dem Peloton davon. Nur durch 
eine Tempoverschärfung durch El capitano konnte der Ausreißer noch eingeholt 
werden. Der Protagonist, klassisch auf Bianchi, welcher Tage später das 
gepunktete Trikot tragen sollte, drehte vor dem Ziel auch noch mal kräftig am 
Rad.  Zur großen Verwunderungen des Hauptfeldes, bestehend aus unserem Kapitän 
und dem im Kamillosantrikot fahrenden Gast. Aber anstatt Anschluß an den 
Banestoman zu suchen, begnügte er sich mit einer Tempoeinlage für die 
Videodokumentation. Er wusste das Ziel wohl nahe und setzte sich zwischen den 
Führenden und die Verfolger. Brutale Tempoarbeit des Kapitäns ermöglichte auf 
den letzten Metern das Auf- und Überholen der Ausreißer.  Aus vertraulich- 
seriöser Quelle weiß ich, dass der Gastfahrer zu diesem Zeitpunkt der Etappe am 
liebsten laut geschrien hätte. Er konnte aber nicht, war richtig platt. Auch 
machte ihm, als angehender Mediziner, der sich abzeichnende Sonnenbrand zu 
schaffen. 
 Wie oben beschrieben, es war schön sonnig. Die Länge der zweiten 
Etappe betrug ungefähr 160km. Bis die Zelte aufgebaut, die Fahrer geduscht, die 
geschundene Haut einbalsamiert und mengenmäßig mehr schlecht als recht Nahrung 
aufgenommen war, herrschte auf dem Campingplatz um uns Stille.  Es war wieder 
spät.
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