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Persönlicher Erfahrungsbericht vom Ötztalmarathon am 27.8.2000



Zunächst einmal, bei dem Ötztalmarathon handelt es sich um einen Radmarathon bei dem 238 km und 5500 Höhenmeter auf 4 Alpenpässen, dem Kühtaipass, dem Brenner, dem Jaufenpass und dem Timmelsjoch, zu überwinden sind.

Am 25.8.2000 kam ich mit unserem geliebten sportl. Leiter und Präsi - Ole Vey - in Sölden, dem Startort des Marathons, völlig übermüdet (die Nacht im Auto geschlafen) an. Das was sich auf der Strasse nach Sölden schon angekündigt hatte wurde dann in dem Ort zur absoluten Gewissheit. Sölden war voll von fitten Leuten, mit krassen Beinen und teilweise noch krasseren Rädern. Nachdem wir unser Zelt auf dem Söldener Campingplatz aufgeschlagen hatten, drehten wir noch ein kurzes Trainingsründchen, natürlich nicht ohne das wir von haufenweise endzeitfitten Leuten auf das Übelste überholt wurden.

Um es kurz zu machen meine und Ole's Stimmung sanken innerhalb kürzester Zeit auf einen absoluten Tiefstpunkt und wir machten uns schon Sorgen, ob wir überhaupt schneller sein könnten als die Durchgangszeiten der Besenwagen. Der nächste Tag verlief in ähnlicher Stimmung aber steigender Spannung; was macht man die ganze Zeit? Ein bisschen Radfahren (ganz sooft), Startnummern abholen, fremdes Material begutachten und TÜV-mäßig kommentieren, sich Mut einreden, Nudeln fressen und vor allem die Zeit totschlagen. Dem Tag folgte dann eine widerlich schlaflose Nacht, die von der Panik geprägt war überhaupt nicht schlafen zu können und dann am nächsten morgen, schon vor dem ersten Kilometer, total fertig zu sein.

Diese Bewußtseinsphase beendete dann der Wecker um 5:15 Uhr. So um 6:15 wollten wir unsere Startplätze einnehmen, also schnell Kaffee kochen, Kohlehydrate in Form von Weetabix-Matsch aufnehmen, Zähne putzen, vor kälte Zittern, Radklammotten anziehen und sich dann auf seinen Startplatz begeben. In der Zeit bis zum Start um 6:30 Uhr fixiere ich gebannt meinen Herzfrequenzmesser, der nicht aufhören will mir einen Puls von 130-140 zu attestieren!!!!! Endlich geht es dann Los, ein Pulk von fast 2300 Radfahrern setzt sich in Bewegung. Etwa eine Stunde lang geht es bergab bis zur Kühtai-Auffahrt, daß es zwischendurch im Feld zu einen wohl heftigeren Sturz gekommen ist (Krankenwagen transportiert Leute ab, kaputtes Material am Wegesrand) nehme ich garnicht so richtig wahr, vielmehr beschäftigt mich mein verrückt spielendes Herz und in dem großen Pulk an unserem sportlichen Leiter (Ole) dranzubleiben. An der Auffahrt zum Kühtai die erste Schrecksekunde, vor mir hält ein Krankenwagen, ich mit den Gedanken gerade woanders knalle gegen das Heck und gehe erstmal zu Boden. Etwas geschockt springe ich sofort wieder auf, mein erster Blick gilt natürlich meinem Rad - bis auf die Tachohalterrung nichts kaputt -, nach einigen Lamentieren mit den Nothelfern und einem Aushilfsbullen am Wegesrand fahre ich dann weiter.

Während der Auffahrt zum Kühtai dann die erste grosse Erleichterung, man ist eindeutig nicht der Langsamste.
Es gibt auch so einige richtige "Gurken" im Feld, die an den ersten kleineren Rampen schon richtig Rot anlaufen und zu kämpfen haben. Sowas spornt natürlich an und Ole beginnt vor mir mit widerlich leichten Tritt Tempo zu machen, eigentlich ist mir das alles ein bißchen schnell aber auf der anderen Seite macht es natürlich auch ein riesen Spaß sich in dem Feld nach vorne zu Arbeiten und ich folge ihm.
Am Kühtai angekommen ist die erste Verpflegung, ich nehme eine Cola sowie eine Banane zu mir, lockere ein wenig die Beine und sause dann talwärts. Während der Abfahrt eine weitere Erkenntnis, die meisten Leute können nicht richtig abfahren. Viele stehen ständig auf der Bremse (thermischer Platten vorprogrammiert), meistens wird in Kurven und an den unmöglichsten Stellen gebremst und viele schauen einfach nicht bevor sie eine Kurve schneiden ob um sie herum Fahrer sind, deren Weg sie Kreuzen könnten. In der Folge kam ich mir bei der Abfahrt beinahe wie ein Rowdy vor, weil ich an den Leuten richtiggehend vorbeigeflogen bin.

Nach dem Kühtai, waren dann 70 Kilometer bis zum Brenner in nur "leicht ansteigenden" Gebiet zurückzulegen. Mit dem Präsi zusammen wollten wir dann eine Gruppe von Leuten finden, die uns im Windschatten den Brenner rauf zieht. Das Problem war nur, wir waren nicht die einzigsten mit dem Gedanken und so hatte niemand Lust im Wind zu fahren. Nach einigem Gruppengezacker und viel zu hohen Tempo (Puls immer wieder voll im aneroben Bereich) überwanden wir dann den Brenner und es ging daran sich mental auf den Jaufenpass vorzubereiten.
Kurz vor der Auffahrt trennte ich mich dann auch von Ole, der ein höheres Tempo anschlagen wollte, damit war jeder von nun an auf sich allein gestellt. Froh nun endlich meinen eigenen Rhythmus fahren zu können ging ich den Pass mit schon leicht müden, aber immer noch recht lockeren Beinen an.
Eigentlich wollte ich da ja ganz langsam rauf aber die Beine liefen am Anfang so gut, daß ich mit hoher Trittfrequenz in meinem Granny-Gear (30:25) an unglaublich vielen Leuten einfach vorbeizog. Grüppchen für Grüppchen nahm ich mir vor und aus meinen Vorhaben mich da locker raufzuwuchten wurde nichts. Gegen Ende des Aufstiegs kam dann was kommen musste, die Beine wurden richtig schwer und mein ganzer Körper war am rasen. Jetzt wahrscheinlich irgendwo so in der Mitte von 2256 Fahrern war ich dann froh noch Einigermassen das Tempo bis zum Gipfelpunkt mithalten zu können.

Oben an der Passhöhe dann eine weitere Labstation, ziemlich kaputt fülle ich meine Trinkflaschen auf, verfluche den Red Bull- Stand zur Hölle (während des Aufstiegs musste ich ständig von dem Zeug aufstossen) und knalle in furioser Talfahrt abwärts.
Ole am Kühtai Obwohl jetzt weiter vorn im Feld immer das noch das gleiche Bild, die Leute können nicht abfahren. Dabei sind diese Alpenpässe gegenüber den Pyrenäenpässen ausgebaute Autobahnen. Viele Kurven sind als Anlieger gebaut, ein wenig das Gewicht verlagern und man ist durch, kaum Steine auf der Fahrbahn auf denen man wegrutschen könnte ..... NICHTS...., dazu ein Straßenbelag mit geradezu himmlischen Rolleigenschaften und Haftreibungswerten.
Naja, die Abfahrt hat noch richtig Spass gemacht.

Was dann folgte machte weniger Spaß, denn direkt nach dem Jaufenpass prangt vor einem das Timmelsjoch -1775 Höhenmeter an einem Stück. Bloß nicht raufschauen, alle Körpersignale auf Durchzug stellen und rauf das Ding.
Was leichter gesagt ist als getan, denn inzwischen war mein Körper in einem Belastungsbereich in dem er noch nie vorher war, was auch ein wenig mentale Spannung mit sich bringt, denn ich hatte keine Ahnung wie er darauf reagieren würde. Nun ja zuerst hat er sich gewehrt, vermehrt werde ich von Leuten überholt, selber überholen tue ich kaum jemanden mehr. So geht das eine Weile bis der Anstieg zum Timmelsjoch wirklich brutal wird und mir in meiner Trance-artigen Fahrt einige Charakterköpfe auffallen, die noch vor kurzem an mir vorbeigezogen sind. Ich bin also nicht total am Einbrechen. Im allerletzten Gang ziehe ich mich stetig das Joch rauf, nur verschwommen sehe ich noch was um mich herum geschieht.

Viele Leute steigen kurz ab, stieren nach oben oder versuchen sich stehend, den Kopf über den Lenker gebeugt, mental wieder zu sammeln. Bloß nicht absteigen geht mir nur durch den Kopf, bis sich mein Körper auf andere Art und Weise bei mir meldet, die Muskeln im linken Bein beginnen merkwürdig zu Zucken.

Krämpfe !!!!

Also doch absteigen, 5 min Pause machen und eine kleine improvisierte Muskelmassage vornehmen. Etwas verängstigt steige ich wieder aufs Rad, zum Glück wird es etwas flacher und die Beine wehren sich bis auf weiteres nicht gegen die Belastung. Dann 11 Kilometer vor dem Gipfel die letzte Labstation, ich fülle meine völlig leeren Trinkflaschen wieder auf, fahre sofort weiter.
Die nächsten 7 Kilometer sind dann nicht so steil oder kommen mir nicht so vor (es ist merklich kühler geworden), ich habe etwas Luft und komme ins Gespräch mit einem Triathleten aus Münster (wo der Berge zum Trainieren gefunden hat weiß der Teufel) und ich bin ein wenig von meinem Körperterror abgelenkt.
Mit der Zeit merke ich, da ist noch was möglich, in meinen Beinen kündigt sich zwar immer mal wieder ein Krampf an aber kurzzeitig weniger Belastung und es geht wieder. Also verabschiede ich mich von dem Kollegen aus Münster erhöhe die Trittfrequenz und ziehe die letzten Kilometer in einem Speed hoch, der mich selbst beeindruckt und sicherlich die Moral einiger Leute untergräbt die mit allerletzter Kraft sich da hochdrücken. Am Timmelsjoch oben halte ich dann garnicht mehr an, ziehe mir meine Regenjacke im Fahren an und habe nocheinmal den Flash ein bisschen Zeit und ein paar Plätze gutzumachen.

Sehr zu hilfe kommt mir dabei, ein kurzer von vielen (mir inklusive) nicht bedachter Zwischenanstieg, wo viele Leute unter Flüchen mehr oder weniger Zusammenklappen und ich relativ leicht im Wiegetritt rüberwuchte. Dann aber geht es nur noch bergab 30 Kilometer lang und ich fahre zum ersten Mal -total druff- wirklich riskant ab. Zumal es noch anfängt zu Regnen und es inzwischen Saukalt ist. Aber alles ist mir inzwischen egal; nur noch ankommen.
Nach 11 Stunden 9 Minuten und 38 Sekunden ist es dann soweit und ich überquere das Ziel als 1023'ter und treffe Ole wieder der "nur" 21 Minuten vor mir im Ziel war.

geschrieben am 28.8.2000 von Torben Jabben

Weitere Informationen zum Ötztal-Marathon findet man unter http://www.oetztaler-radmarathon.com

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